Niedersachsen, Ringofenspuren
Mike Behrens
Ringofenspuren
Fotografien
alter Ziegeleien
mit Textzitaten aus dem historischen Roman
„Simon, der Ziegler“
von Elke Loewe
Noch ein wenig die Freiheit genießen, die frische
Luft, die von der Nordsee herpustete. Ab morgen,
das wussten sie alle, würde die Zeit von April bis
Oktober zu einem einzigen Klumpen aus nassen Ton
zusammen backen, und am Ende, zu vierhunderttausend
Ziegeln geformt, als Taler und Groschen in
die lederne Umhängtschen wandern. Für den Winter,
für die Pacht, für ein Schwein, für das neue Haus.
Und für das Neugeborene, das oft, wenn alles mit
rechten Dingen zugegangen war, unter dem
Christbaum lag.
Trockenschuppen und Ringofengebäude,
Ziegelei Rusch, Drochtersen-Ritsch
10. Februar 2003
Längs des Ofenschauers standen, ebenfalls nach
allen Seiten offene, Trockenschauer mit Setzplätzen
aus Brettern für die Rohlinge, an den Seiten hing
Segeltuch zum Schutz vor Regen und Sonne.
Durch den ca. 800 m langen Trockenschuppen führt eine
Kettenbahn, die Rohlinge zu den Trockengerüsten.
Ritsch, 10. Februar 2003
„Wo wird sich gewaschen?“ fragte Cord.
Bartold schöpfte in zwei großen Eimern Wasser aus
dem Graben und seihte es durch ein Sieb.
„Im Graben sollst du dich waschen.“
Cord wurde noch blasser, als er ohnehin schon war.
„Wo du Wasser schöpfst?“
Bartold beruhigte ihn.
„Nein, in dem ist nur Regenwasser. Im Graben
linkerhand wird sich gewaschen.“
„Im Scheißgraben?!“
Mit freiem Oberkörper standen die Ziegler am
Graben und wuschen den Dreck des Tages hinein,
der Regen half ihnen dabei.
Bei Ebbe fallen die Gräben
trocken und die tonige Erde wird sichtbar.
Ritsch, 10. Februar 2003
Bis zu achtzehn Beschickungsgänge rundherum angeordnet.
Alle beim Brennvorgang geschlossen, bis
auf zwei. Da geht die Luft hinein. Die zieht gegen
den Uhrzeiger durch den Brennkanal und dann erst
in den hohen Schornstein. Und der ganze Ofen ist
voller Steine! Mit der Wärme vom Vollbrand werden
die nachfolgenden Ziegel schon vorgetrocknet.
Werkhalle mit Ringofen in Winterruhe.
Ritsch, 10. Februar 2003
Für Conrad gab es keinen Feiertag. Der stand am
Ofen. Schwarzes Gesicht und schwarze Hände, und
die Asche setzte sich auf seine Augen, wenn er sich
mit dem Ärmel den Schweiß abwischte. Jeden Tag
regnete es. Die Männer verrichteten mit zusammengebissenen
Zähnen ihre Arbeit und sie fluchten, als
Graupel vom Himmel fiel. Der Boden war rutschig
wie Glatteis.
Beschickungsgang ins Innere des Ringofens.
Ritsch, 10. Februar 2003
Wie nach jedem Brand stand der Schiffer davor,
nahm zwei Steine heraus und horchte auf den Klang.
Der Ton war dumpf. Er verzog sein Gesicht in Falten,
nahm noch einmal zwei Steine und ließ sie wieder
aneinanderschlagen. Diesmal war der Ton hell.
Gleich darauf holte er ein drittesmal zwei Steine,
deren Klang war ebenso angenehm in seinen Ohren.
Und wenn nicht, dann hätte er wohl gehandelt, so
reichte es für einen kleinen Vorwurf, ohne den kaufte
er keinen einzigen Ziegel aus einem Ofen.
Die Lorenbahn wurde durch Lastkraftwagen
und Gabelstabler abgelöst.
Ritsch, 10. Februar 2003
Während der Sturmflut in der Nacht vom
sechzehnten auf den siebzehnten Februar 1962
wurde das im Ballast fahrende norwegische Küstenmotorschiff
Jette Solveig mit großer Gewalt auf die
gänzlich unter Wasser stehende, unbedeichte Elbinsel
gedrückt. Es strandete an der Wurt unserer
Ziegelei, deren Kleiboden von der alle überraschenden
hohen Flut schon bis an die
Grundmauern abgetragen war. Kurze Zeit später
brach das vorher bereits brüchige Fundament an
einer Stelle auseinander und brachte einen Teil der
Gewölbe zum Einsturz.
Die Flutmarken lassen erahnen, wie die Ziegelei nach den
Sturmfluten ausgesehen haben mochte.
Ritsch, 10. Februar 2003
„Sie müssen gehen, weil sie in ihrer Heimat kein Auskommen
mehr haben. Weil die Dampfmaschine jetzt
ihre Hände an den Webstühlen ersetzt, darum
müssen sie gehen!“
„Das ist eben die neue Zeit“, sagte Bartold, „und ich
wette, es wird noch viel mehr erfunden, was den
Menschen die Arbeit leichter macht. Dann werden
alle nicht mehr so lange und schwer arbeiten
müssen wie wir jetzt noch.“
Die Diesellok war das Arbeitspferd der Ziegelei und wurde von
manchen Zieglern „Mobbel“ genannt.
Ritsch, 10. Februar 2003
Morgen hat er frei. Mittags einen Pickert ganz für
sich allein backen aus Kartoffeln und Mehl, die Eier
hatte er schon organisiert. War als Brenner ganz
leicht in den Hühnerstall zu kommen, nachts, wenn
alle schliefen. Einmal hatte er auch einem Hahn den
Hals umgedreht, weil der Krach gemacht hat. Ihn
ausgenommen und auf dem Ofen gebacken.
Gerippe und Federn haben das Feuer gut geschürt.
Über dem Ringofen erhebt sich ein mächtiges Ziegeldach.
Auf dem Boden sind die Ventile sichtbar, auch Glocken genannt.
Ritsch, 10. Februar 2003
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